Skorpionspezialist

Skorpionspezialist

 
Der Artikel erschien im Oldtimermarkt, Ausgabe 1/2020
 
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Das abgelaufene Jahr hatte es in sich für Franz Steinbacher, nicht nur weil der umtriebige Kommerzialrat seit kurzem ein Dreivierteljahrhundert alt ist. Was es 2019 sonst noch zu feiern gab: 30 Jahre Bestehen seines Oldtimer-Sachverständigenbüros, 70 Jahre Abarth, 70 Jahre „Auto Steinbacher“, 110 Jahre Weinkellerei Steinbacher.
Wir müssen also weit ausholen. Als der kleine Franz am 7. Dezember 1944 das Licht der Welt erblickt, sind Teile Wiens schon voller Schutt und Asche. Vater Rudolf und dessen Bruder Josef sind in der Benzin-Branche bereits stadtbekannt, wenn auch vorerst nur in der Zweirad-Ecke. Mit dem Verkauf und der Vermietung von Motorrädern hat man sich einen Namen gemacht in der Hauptstadt. Onkel Josef dazu auch mit Sport-Einsätzen, Gegner auf den heißen Bikes war in der Vorkriegszeit unter anderem ein gewisser Carlo Abarth, mit dem bald eine Freundschaft entstand.
Wir schreiben das Jahr 1946, die Steinbachers starten mit dem Gebrauchtwagenhandel. Und am 7. Dezember, also Franz‘ zweitem Geburtstag, kommt es in Gmünd zu einem Deal zwischen Ferdinand Porsche und den Landsleuten Carlo Abarth sowie Rudolf Hruska zum Bau eines Grad Prix Wagens für Cisitalia, jenem zwölfzylindrigen Allrad-Boliden, der nie zu einem Renneinsatz kommen sollte. Doch Abarth kriegt so einen Fuß in die Tür bei Cisitalia – und die befreundete Familie Steinbacher in Wien dadurch sechs Jahre später die exklusive Italo-Marke als Österreich-Importeur ins Portfolio. Privatfahrer wie Motorsportler sind die Kunden für die kleinen Coupés und Cabrios, der Import aus Italien ist freilich schwierig, gibt es doch eine Devisen-Ausfuhrsperre. Erlaubt sind allerdings Gegengeschäfte, also wickeln die Steinbachers die Cisitalia-Käufe über ihre Kärntner Holzfirma ab. Quasi ein Tausch Fahrzeuge gegen Bäume.
Auto Steinbacher wird immer größer, zu den Standorten am Südtiroler Platz und im 10. Bezirk in der Favoritenstraße gesellen sich bis Mitte der Fünfziger Jahre eine Dependance am Rathausplatz sowie in der Walfischgasse, beides Wien 1. Opel, später natürlich Abarth sowie in den Sechzigern auch Peugeot, Maserati und Alfa kommen nach und nach ins Verkaufsprogramm. Dass der Technik-affine Junior angesichts dessen wenig Interesse am humanistischen Gymnasium in der Amerlingstraße aufbaut, liegt auf der Hand. Und so ist der Onkel im Grunde froh, dass der junge Steinbacher mit 14 die Schule schmeißt und eine KFZ-Lehre beginnt, der kinderlose Vormund – Franz‘ Vater ist bereits früh verstorben – organisiert über seine Opel-Kontakte eine Ausbildungsstelle bei GM in Wien („Die V8 hatten es mir damals angetan“).
Mit einem ausgezeichneten Abschlusszeugnis in der Hand stolzierte Franz im Sommer 62 in den Familienbetrieb in der Walfischgasse. Dort sitzt zufällig wieder einmal Carlo Abarth in seinem eigens für ihn eingerichteten Wiener Büro – und gratuliert. „Und was wird der junge Mann jetzt machen?“ Schulterzucken. „Magst Du Dir meine Firma in Turin anschauen kommen?“ Was für eine Frage! So fährt er im Herbst für ein paar Schnupper-Wochen in die Corso Marche, 38. „Italienisch habe ich schnell gelernt, ich durfte in alle Abteilungen hinein schnuppern:“ Kurz vor Weihnachten geht’s zum Abschied nehmen ins Büro von Carlo Abarth, es gibt eine Panetone, dazu ein Buch über die italienische Sondermarke mit dem Skorpion. Und es kommt noch besser: „Willst du nicht nach den Feiertagen wiederkommen und fix bei mir in der Rennabteilung anfangen?“ Die Antwort fällt wenig überraschend aus, im Jänner 1963 übersiedelte Franz Steinbacher endgültig nach Turin.
„Rückblickend betrachtet, waren die Jahre bei Abarth meine schönste Zeit, weil ich am meisten gelernt habe und es am unbeschwertesten war.“ Fahrzeugentwicklung und vor allem Rennbegleitung zählen zu Steinbachers Aufgaben. Einer der ersten Einsätze führte ihn zum 12-Stunden -Rennen auf den Nürburgring, wo er den Fiat 2300 S Abarth für Gentleman Paul Frére betreut. Oft ist der Motorsport-Tross wochenlang in Deutschland unterwegs, durch seine Sprachkenntnisse muss Franz auch Organisationsaufgaben übernehmen – und avanciert so bald zu rechten Hand des legendären Abarth -Rennleiters Dottore Avidano.
Carlo Abarth selbst kommt meist nur zum Training, die Rennen verfolgt er lieber von zuhause. „Als Mechaniker haben wir es gut gehabt bei Abarth. Wir mussten zwar viel arbeiten, teilweise auch nachts an der Rennstrecke, doch die Entlohnung war fürstlich, und der Chef hat uns sehr geschätzt. Mehr als so manchen jungen Piloten aus seiner Scuderia, allein Hans Hermann genoss einen Sonderstatus.“ Mit den Steuermännern im Zeichen des Skorpions ist Steinbacher jun. Bald auf du und du, zu Arturo Merzario pflegt er bis heute eine tiefe Freundschaft.
 
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Jedes Jahr zu Weihnachten verlängert Franz sein Italien-Engagement, infiziert sich immer mehr mit dem Virus Rennzirkus. Doch mitten in der Saison 1968 hat Onkel Josef daheim in Wien einen Unfall: „Eine Taxifahrerin hat sein Giulia Coupé abgeschossen, angeschnallt war er als leidenschaftlicher Rennfahrer natürlich nicht.“ Weil sich das Familienoberhaupt dabei unglücklich verletzt muss der junge Steinbacher zurück in den heimatlichen Betrieb, der Marke Abarth bleibt er jedoch als Importeur bis zur Übernahme durch Fiat 1971 treu.
Wirklich gut steht es zu dieser Zeit nicht um das Familienunternehmen. „Unseren Reifenbetrieb im fünften Bezirk habe ich als erstes saniert – dank meiner Kontakte durch die Rallye-Einsätze konnte ich uns als Garantie-Abwickler für Pirelli zertifizieren lassen.“ Stück um Stück bringt er die Standorte auf Vordermann, im Zuge dessen kündigte er den Import Vertrag mit Maserati: „Das war stets ein Verlustgeschäft wegen der unverschämten Rabatte für die Promi-Käufer. Mein Onkel hat immer gesagt: Mir ist jeder Straßenbahnfahrer als Kunde lieber, der bei uns einen Peugeot erwirbt…“ Die Franzosen-Marke bringt Franz Steinbacher übrigens seine ersten Berührungspunkte mit der Oldtimerei: „Von einem Kunden hatten wir eine Peugeot Quadrilette aus 1922 geschenkt bekommen, die ich in unserem Betrieb selbst restauriert habe. Sie stand dann in der Adventzeit im Schauraum, meine Tante schickte mich damit auch noch im Santa Claus Kostüm die Kärntner Straße auf und ab. Das hat ein ziemliches Medienecho verursacht - und ich habe dem parallel dazu in der Wiener Stadthalle vorgestellten Peugeot-Neuwagen die Show gestohlen, wie der Kurier schrieb“. Joschi Walter, legendärer Löwen-Importeur, soll „not amused“ gewesen sein…
Franz führt Auto Steinbacher bis 2001 durch teils schwierige Zeiten, Probleme mit wechselnden Alfa-Importeuren und ein späterer Rechtsstreit mit Nissan (die Japaner kamen Mitte der Siebziger an einem Standort in Wien 16 ins Programm) kosten Zeit, Geld und Nerven. „Aber ich habe auch Fehler gemacht, das Angebot zum Import von Kawasaki etwa hätte ich nicht ausschlagen dürfen.“ Gefreut darüber hat sich unser Autor Erich Glavitza, der zum Zug kam und gutes Geld mit den japanischen Motorrädern verdiente.
Und wann begann das mit den Oldtimern? „Eigentlich so Mitte der Achtziger, von einer Szene wie heute waren wir damals noch weit entfernt. Doch mein Onkel betrieb schon ein Sachverständigen Büro und diese Tätigkeit nahm ich auch Ende 1988 auf, kurz vor seinem überraschenden Tod.“ Anfang der Neunziger führt Steinbacher die ersten Oldtimer-Auktionen in Österreich durch, in der Wirtschaftskammer ist er da längst als Alteisen-Spezialist etabliert – und das bis heute. Stets an seiner Seite: die charmante Riki. Die ehemalige Castrol-Marketingchefin hatte er als Beifahrerin in einem Ford A Roadster für eine Oldtimer Rallye 1996 ausgefasst, zwei Jahre später, Franz‘ Frau ist inzwischen verstorben, sind sie ein Paar, weitere zwei Jahre danach wird geheiratet. Die Dame an seiner Seite ist sie aber auch beruflich: „ Riki managt den Laden.“
 
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Und es war auch sie, die den Umzug und die Bündelung des (Geschäfts-)Lebens nach Wolkersdorf vorantrieb. Auf dem Areal des ursprünglichen Weinhandels der Familie befindet sich seit 2010 ein dezent-geschmackvoller Neubau: Wohnung, Büro, Archiv und Arbeitsplatz mit Hebebühne an einem Standort. Auch der angeschlossene Weinkeller wurde wieder belebt, nachdem er jahrelang für Schwammerlzucht und als Schießstand vermietet worden war. „Als das Finanzamt die Keller-Restauration nicht als Abschreibung akzeptieren wollte und das als Liebhaberei abgetan hat, haben wir beschlossen wieder Wein zu produzieren.“ Drei Sorten Roten gibt es im Programm, Verkaufsschlager ist aber der in Zusammenarbeit mit Schlumberger nach der Champagner Methode vergorene bekannte „Velsecco“ mit rund 10.000 Flaschen jährlich sind Steinbachers größter Sekt-Hersteller in der Gegend.
Hauptgeschäft – und Herzensangelegenheit – bleibt jedoch die Sachverständigen Tätigkeit . „Was soll ich denn sonst machen? Ich kann ja nichts anderes.“ Mit Neuwagen hat Franz längst abgeschlossen, und an die Pension denkt er nicht einmal im Traum: „Es ist doch toll, dass es Berufe gibt, bei denen Erfahrung noch etwas zählt. Und mit jedem Oldtimer-Gutachten lerne ich noch was Neues dazu.“
 
Text: Enrico Falchetto
Fotos: Robert May, Archiv Steinbacher
 
 
 
 
Stand: Jänner 2020
 
 

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